Bad Vöslau bekommt den Henriettenpark zurück
Der bisher eingezäunte und nicht zugängliche Badpark vor dem historischen Café Thermalbad im niederösterreichischen Bad Vöslau wurde umgebaut und für die Öffentlichkeit geöffnet. Der Zugang zum Park mit dem aufgewerteten Fischerlteich und zahlreichen neuen Bäumen ist jetzt barrierefrei zugänglich. Die Bad Vöslauer:innen sind nicht nur eine Grünoase reicher, sondern haben auch mit dem umgestalteten Schlossplatz einen multifunktionalen Ort zum Verweilen, Spielen und für Veranstaltungen bekommen.
Historische Plätze mit Aufholbedarf
Der Schlossplatz vor dem Vöslauer Schloss, in dem heute das Rathaus angesiedelt ist, war vor dem aktuellen Umbau ein großer, versiegelt asphaltierter Parkplatz. Der Zugang zum geschichtsträchtigen Gebäude war wenig einladend, nicht barrierefrei und es fehlte an Grün und Aufenthaltsqualität. Die lokalen Geschäfte der Sockelzone waren nicht eingebunden in den Platz, was unter anderem an der abschüssigen Fläche und dem resultierenden Niveauunterschied lag. Der in wenigen Minuten Gehzeit entfernte Badpark hatte ebenfalls Aufholbedarf. Das Areal war eingezäunt und abgeschlossen vom Stadtleben, es fehlte an Verbindungen zum Gehweg-Netz. Das Grün war pflegebedürftig, einige abgestorbene Bäume stellten ein Sicherheitsrisiko dar und die Begehbarkeit war eingeschränkt.
Ein Plan fürs Zentrum
Die Ausgangssituation hat die Vorgaben für den Umbau des Bad Vöslauer Zentrums bestimmt. Der Schlossplatz sollte grüner werden, zum Verweilen einladen und allen Altersgruppen Nutzungsangebote bieten. Zusätzlich sollten vielseitige Verwendungsmöglichkeiten für Konzerte, Märkte und andere Veranstaltungsarten geschaffen werden mit der dazugehörigen technischen Infrastrur. Gleichzeitig ging es darum, das Auto nicht mehr so stark in den Vordergrund zu rücken und mehr Platz fürs Zu-Fuß gehen und Verweilen zu schaffen. Der historische Charakter sollte dabei erhalten bleiben.
Für den ehemaligen Badpark galt es, das eingezäunte Gelände mit Bedacht für die breite Nutzung zu öffnen. Dabei sollte der Fischerlteich eingebunden werden, eine Fläche für Veranstaltungen entstehen sowie der Baumbestand erhalten und erweitert werden. Das derzeit leerstehende Café Thermalbad sollte darüber hinaus stärker in den zu erneuerten Park eingebunden werden um es in der Zukunft gut nutzen zu können.
Herausforderungen an die neuen Freiräume
Bei einer Umgestaltung von wichtigen Orten in einer Stadt treffen unweigerlich unterschiedliche und teilweise gegensätzliche Interessen und Bedürfnisse der verschiedenen Benutzer:innen aufeinander. Es galt also, Lösungen zu finden, die Vorteile für möglichst viele Menschen und Gruppen bringen und viele Funktionen auf kleinem Raum unterbringen. Transparenz stand im Mittelpunkt mit einer umfassenden Informationskampagne seitens der Stadtgemeinde Bad Vöslau, an der YEWO tatkräftig mitwirkte. Eine Bürgerinfo-Veranstaltung, Informationstafeln und ein Webcam-Livefeed des Baufortschritts warben um die Unterstützung der Bevölkerung.
Am Schlossplatz stellte sich die Herausforderung, eine attraktive Achse zum Schloss zu schaffen, ohne die historische Substanz zu beeinträchtigen. Die charakteristischen Putti-Skulpturen sind dabei erhalten geblieben und wurden in ihrer ursprünglichen Position, also auf gleicher Höhe wie zuvor platziert, trotz Anhebung des Platz-Niveaus an dieser Stelle. Durch die Nivellierung des Platzes wurde eine bessere Verbindung zu umliegenden Gastronomiebetrieben und Schani-Gärten hergestellt, was auch eine leichtere Beaufsichtigung von Kindern beim neuen Wasserspiel ermöglicht.
Henriettenpark jetzt für alle geöffnet
Der neu gestaltete Park am Badplatz hat seine Tore für die Öffentlichkeit geöffnet und lädt mit einer Vielfalt an Bäumen, Sträuchern und Blumenwiesen zum Verweilen ein. Die bisher eingezäunte Grünfläche und nunmehr für alle zugängliche Parkanlage wurde nach Henriette Pereira-Arnstein benannt, einer bedeutenden Pianistin und engagierten Persönlichkeit der literarisch-musikalischen Welt des 19. Jahrhunderts. Die mutigen architektonischen Elemente in Form der hängenden Aussichts-Podeste über dem Fischerlteich wahren das empfindliche Wasser-Biotop und bieten gleichzeitig malerische Ausblicke. Sie kragen über die Wasserfläche hinaus, die Fundamente sind jedoch außerhalb des Wassers. Effektbeleuchtung unterstreicht die Konturen der Stege. Die historisch wichtigen Blickachsen auf das Café Thermalbad im Henriettenpark wurden mit richtiger Positionierung der neu gepflanzten Bäume erhalten.
Mobilität als Fokus im neuen Zentrum
Im Sinne der Mobilität wurde der Schlossplatz durchs Fördern fußläufiger Erschließungen und Reduzieren von Parkplätzen aufgewertet. Attraktive Aufenthaltsbereiche mit Sitzgelegenheiten und Trinkbrunnen sowie Fahrradständern bieten Anreize für die Fortbewegung zu Fuß und mit dem Fahrrad.
Der ländliche Raum ist oft stark Auto-zentriert aufgrund der Distanzen und der vielfach fehlenden alternativen Infrastruktur für öffentlichen Verkehr und Fahrrad. Hier können attraktive Alternativangebote einen Anreiz für den Umstieg bieten und wenn vorhanden, kann die Auto-Zentrierung zurückgefahren werden. So ging mit der Reduzierung der Parkplätze am Schlossplatz eine Attraktivierung der Fortbewegung mit dem Fahrrad mit einer neuen Rampe vom Schloss her sowie neuen Rad-Stellplätzen einher. Die umgestalteten Freibereiche bieten hohe Aufenthaltsqualität mit Sitzgelegenheiten, einer Info-Stele für digitale Ankündigungen der Gemeinde und einem Trinkbrunnen, der auch für Hunde Wasser spendet. So steigen die Anreize, den Ort fußläufig zu benutzen.
Inklusivität umfasst mehr als Barrierefreiheit
Inklusives Planen bedeutet, möglichst viele Gruppen von Benutzer:innen im Fokus zu haben: Personen unterschiedlichen Alters, mit unterschiedlichen Mobilitätsgraden, aus verschiedenen Einkommensschichten und in vielfältigen Lebenssituationen - sei es Familien mit Kindern, Singles oder Paare ohne Kinder. Im Projekt finden sich mehrere Stadtmöbel-Varianten wieder für verschiedene Nutzer:innengruppen mit unterschiedlichen Sitzhöhen und Arten von Lehnen. Die Stadtmöbel wurden speziell für Bad Vöslau entworfen, wobei die Betonteile von YEWO gestaltet und dazu individuelle Auflagen von der Firma mmcité zugeliefert wurden.
Im Henriettenpark gewährleistet eine verbesserte barrierefreie Wegeführung den Zugang mit möglichst vielen Mobilitätsgraden der Nutzer:innen. Am Schloßplatz bietet die erneuerte Rampe einen noch besseren barrierefreien Zugang aus der Richtung des Schlosses. An Angebote für Jung und Alt wurde gedacht. Im Henriettenpark laden Spielgeräte und ein Geschicklichkeitspark zum Entdecken, Klettern und Aktivsein ein. Eine Liegeplattform und Bänke bieten hingegen Platz zum ruhigen Verweilen. Am Schlossplatz finden USB-Ports an den Sitzgelegenheiten bestimmt Anklang bei den tendenziell jüngeren Smartphone-Nutzern.
Diese konsumfreien Nutzungsmöglichkeiten wurden ebenso wie die Bedürfnisse der Wirtschaft in die Planung einbezogen. Am Schlossplatz gibt es demnach vielfältige Stromanschlussmöglichkeiten für temporäre Marktstände, die an Markttagen an die Sitz-Inseln andocken können.
Mehr Klimafitness und Naturschutz
Eine zentrale Rolle auf verschiedenen Ebenen des Projektes spielt das Thema Nachhaltigkeit. Das Ziel war es, ein modernes Regenwassermanagement nach dem Schwammstadt-Prinzip zu implementieren. Die Teilentsiegelung mit mehr reinen Grünflächen und halbdurchlässiger Pflasterung lässt das Regenwasser lokal versickern. Das fördert das örtliche Mikroklima, da das Wasser für die Wurzeln der Bäume und Sträucher unterirdisch zur Verfügung steht. Die natürliche Verdunstung kühlt die Umgebung und puffert so intensive Hitzewellen.
Helle Bodenbeläge helfen zudem, weil sie durch den Albedo-Effekt die Sonneneistrahlung reflektieren und das Gelände nicht so stark aufheizen lassen. Mehrere neue großkronige Bäume sorgen in Zukunft für großzügige Beschattung - sowohl am Schlossplatz wie am Heriettenpark. Durch bienen- und schmetterlingsfreundliche Pflanzungen wird darüber hinaus Lebensraum für Insekten geschaffen.
In den temperierten Vöslauer Thermalgewässern des Fischerlteichs sind einzigartige Süßwasserschnecken beheimatet. Diese Arten sind sehr selten und einige davon nur in Bad Vöslau heimisch, da das warme Thermalwasser ein besonderes Habitat bietet. Durch den behutsamen Umgang mit dem Gelände um das Gewässer wurde der Lebensraum für diese besonderen Schneckenarten und andere Wasserbewohner bewahrt.
Kultur in hellem Licht
Die umfangreiche Umgestaltung bietet nicht zuletzt auch Raum für kulturelle Angebote. Die Sitzelemente am Schlossplatz sind geeignet fürs temporäre Andocken von LKWs bei Veranstaltungen und die Buchten sind ausgestattet mit den nötigen Anschlüssen. Im Henriettenpark schafft die neu errichtete Bühne den idealen Rahmen für Konzerte und andere Kulturevents - passend zur kunstfördernden Namenspatronin des Parks.
Ein neues Beleuchtungskonzept wertet die beiden Orte in Puncto Ästhetik nochmals deutlich auf. Die mit flexiblen LED-Strips und Effektbeleuchtung ausgestatteten Elemente bieten vielfältige Adaptionsmöglichkeiten für verschiedene Szenarien. Die Handläufe und Stufen der neuen Rampe zum Schlossplatz sind ein Beispiel für eine stimmige Einbindung der Beleuchtungskörper in Ausstattungselemente. Diese sind mit verschieden Farben und mit dimmbarer Beleuchtung anpassbar und können sogar für die spätere Implementierung von WLAN verwendet werden. Dabei kommt das Licht am Schlossplatz aus moderne Stelen und im Henriettenpark aus historisch angelehnten Lampen, um den jeweiligen Ortscharakter zu unterstreichen.
Ein durchdachtes Beleuchtungskonzept verbessert auch die Sicherheitssituation der beiden Plätze mit besserer Einsehbarkeit von der Straße her und besserer Orientierung auf dem Schlossplatz und im Henriettenpark.
Ein Zentrum für alle
Die Umgestaltung von Schlossplatz und Henriettenpark bringt neues Leben in Bad Vöslau: Historische Orte wurden zu grünen, barrierefreien und einladenden Räumen für alle Generationen. Mit modernen, nachhaltigen Lösungen zur Verbesserung des Stadtklimas und einer Bühne für Veranstaltungen erhält die Stadt eine attraktive Oase, die Geschichte und Zukunft harmonisch verbindet.
Weitere Infos zum Projekt finden sich hier.
Fotos: © Kurt Hörbst
Auftraggeber: Stadtgemeinde Bad Vöslau
Planungspartner: kosaplaner